Andacht zum Todestag der Geschwister Scholl am 22. Februar 1943

Sat, 20 Feb 2021 23:00:01 +0000 von Annika Köllner

Text: Pastorin Anne Stucke
Musik: Kantorin Annika Köllner

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Seien Sie herzlich willkommen zu dieser Andacht. 

Wir gedenken heute der Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“.
Meist werden die Namen von Hans und Sophie Scholl mit ihr verbunden, doch gehörten zu ihrem engsten Kreis noch weitere Mitglieder dazu, die ebenso für ihre Überzeugung eingetreten sind und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben: Christoph Probst, Alexander Schmorell, Professor Kurt Huber, Willi Graf und Hans Konrad Leipelt.
Obwohl die „Weiße Rose“ keine religiöse Gruppe war, war der christliche Glaube unzweifelhaft einer der Hauptgründe für den Mut, mit dem diese jungen Menschen handelten.

Vor 78 Jahren, am 18. Februar 1943, wurden die Geschwister Hans und Sophie Scholl verhaftet.
Sie waren vom Hausmeister der Münchner Universität beobachtet worden, wie sie Flugblätter vor den Hörsälen auslegten und über die Balustrade in den Lichthof regnen ließen.
Flugblätter, die zum Sturz Hitlers aufriefen und zur Beendigung des sinnlosen Krieges. Es war das sechste Flugblatt der Weißen Rose.
Der Hausmeister nahm die beiden – ohne Gegenwehr – fest und übergab sie der Polizei.

Am Anfang leugneten die beiden, mit den Flugblättern etwas zu tun zu haben. Bald aber wurde ihre Wohnung durchsucht, wo belastendes Material gefunden wurde. Schließlich gestanden beide, die Flugblätter geschrieben und verteilt zu haben.
Vergeblich hatten Hans und Sophie Scholl versucht, die anderen Mitglieder der Weißen Rose zu schützen. Einen Tag später wird Christoph Probst verhaftet.

Am 22. Februar werden die drei in einem Schauprozess angeklagt. Aus Berlin kommt eigens der berüchtigte Präsident des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, nach München.
Es war ein unwürdiges Verfahren. 
Die Angeklagten werden von Freisler unterbrochen, niedergebrüllt, beleidigt.
Als Hans Scholl sagt: „Das deutsche Volk ist ausgeblutet und will Frieden. Hitler und seine Helfer sind Schuld an einer unglaublichen Metzelei in Europa, die jedes Maß unendlich überschreitet“, schreit Freisler ihn an: „Ja, was bilden Sie sich ein, Sie ehrloser Hund“.

Als Freisler Sophie Scholl nach dem Motiv für ihren Widerstand gegen Hitler und das Dritte Reich fragt, sagt sie: „Einer muss ja doch schließlich damit anfangen. Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele. Nur wagen sie nicht, es auzusprechen.“
Und Hans Scholls letzter Satz vor Gericht lautet:
„Wenn Hitler und Sie nicht Angst hätten vor unserer Meinung, würden wir nicht hier stehen.“
Darauf Freisler: „Ach halten Sie doch den Mund! Sie sind doch nur ein ehrloser Lump und ein mieser Verräter. Ende der Vernehmung.“

Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst werden zum Tode verurteilt.
Christoph Probst bittet um Gnade wegen seiner drei Kinder im Alter von drei und zwei Jahren und vier Wochen und wegen seiner Frau, die am Kindbettfieber leidet.
Das Gesuch wird abgelehnt.
Noch am gleichen Tag werden die drei in das Münchner Gefängnis Stadelheim gebracht, wo die Hinrichtung in den Nachmittagsstunden vollzogen wird.
Christoph Probst lässt sich kurz vor seiner Ermordung von dem katholischen Gefängnisgeistlichen taufen. Mit ihm feiert er seine erste und letzte Eucharistie, erhält die letzte Ölung.
Der evangelische Gefängnispfarrer Karl Alt feiert mit Hans und Sophie Scholl auf deren Wunsch ein letztes Abendmahl und betet mit ihnen den 90. Psalm.

Psalm 90

Lied: EG 620 Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt

Freunde, dass der Mandelzweig
Wieder blüht und treibt,
Ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt?

Dass das Leben nicht verging,
Soviel Blut auch schreit,
Achtet dieses nicht gering,
In der trübsten Zeit.

Tausende zerstampft der Krieg,
Eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg
Leicht im Winde weht.

Freunde, dass der Mandelzweig
Wieder blüht und treibt,
Ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt?

Christoph Probst wird seine Eltern, die Schwester, seine Frau und die drei kleinen Kinder nie mehr wiedersehen. Und sie ihn auch nicht.
Seine letzten Briefe an die Familie durften die Angehörigen einmal lesen, behalten durften sie sie nicht.
Nur was ihnen im Gedächtnis blieb, konnten sie bewahren.

Den Eltern von Sophie und Hans gelingt es, eine Besuchserlaubnis zu bekommen. Die Gefängniswärter haben sich über die Bestimmungen hinweg gesetzt.
Aus der Hand ihrer Mutter nimmt sie die Süßigkeiten entgegen, die Hans zuvor abgelehnt hatte. „Ach ja, gerne, ich habe ja noch gar nicht Mittag gegessen.“ 

„Sophie, Sophie, nun wirst du also gar nie mehr zur Türe hereinkommen“, sagt Magdalene Scholl.
„Ach, die paar Jährchen, Mutter.“

Dann blickte Sophie die Eltern fest an und erklärte überzeugt: „Wir haben alles, alles auf uns genommen. Das wird Wellen schlagen.“

Noch einmal wandte sich die Mutter an ihr Kind: „Gell, Sophie“, sagte sie leise, „ Jesus.“
„Ja“, gab Sophie zurück, ernst und fast befehlend, – „aber du auch!“

Hans Scholl schlug in seiner Zelle eine Stelle aus dem Neuen Testament auf, die er seit Jugendzeiten in seinem Herzen getragen hatte: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle“.
Zusammen mit Pfarrer Alt sprach er diese Worte aus dem 13. Kapitel des ersten Korintherbriefs, das auch als das „Hohelied der Liebe“ bezeichnet wird. Denn die Liebe „erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“
Der zwölfte Vers muss für Hans Scholl einen ganz besonderen Trost enthalten haben: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“

Bevor er mit ihm das Abendmahl feierte, richtete Pfarrer Alt noch einige Worte an Hans. Er zitierte jene Bibelverse, in denen es heißt, dass kein Mensch größere Liebe haben kann als der, der sein Leben für das seiner Freunde gibt.
Und genau das habe Hans getan, indem er sein Volk davon überzeugen wollte, mit dem Blutvergießen endlich ein Ende zu machen, bevor sie alle darin umkämen.
Schon vor Ihm gab es den Einen, der sein Leben geopfert  hatte und dafür wie ein Verbrecher gekreuzigt worden war.
Aber sein Opfer habe die Tore des Himmels für alle geöffnet.
Mit einem Herzen voller Glauben und Liebe zu sterben, sagte Pfarrer Alt, bedeute einen guten Tod zu sterben.
Selbst unter dem Fallbeil des Henkers. 

Lied: EG 407,2 

Ohne dich, wo käme Kraft und Mut mir her?
Ohne dich, wer nähme meine Bürde, wer?
Ohne dich, zerstieben würden mir im Nu
Glauben, Hoffen, Lieben, alles, Herr bist du.

Obwohl die drei Todeskandidaten erst zwei Stunden zuvor in Stadelheim eingeliefert worden waren, hatte sich die Nachricht von ihrem Schicksal und ihrem mutigen Widerstand bereits wie ein Lauffeuer im Gefängnis verbreitet. 
Vom Leiter des Gefängnisses bis zum Türschließer waren alle von diesem Mut beeindruckt.
Die Gefängniswärter zollten dieser bewundernswerten Haltung eine Art stillschweigenden Tribut, indem sie die drei – entgegen den Vorschriften - eine letzte gemeinsame Zigarette rauchen lassen. 

Dann werden sie nacheinander ermordet, geköpft durch die Guillotine.

Sophie Scholl war die erste. Einer der Wärter berichtete: „Sie ging, ohne mit der Wimper zu zucken. Wir konnten alle nicht begreifen, dass so etwas möglich war. Der Scharfrichter sagte, so habe er noch nie jemanden sterben sehen.“ 

Der nächste war Christoph Probst.
Bei ihrer letzten Zigarette hatte er Hans und Sophie versichert: „In wenigen Minuten sehen wir uns in der Ewigkeit wieder.“
Jetzt, auf seinem letzten Gang, hörte man ihn leise sagen: „Ich wusste nicht, dass Sterben so leicht sein kann.“
Hans Scholl war der letzte.
Wie seine Schwester Sophie und sein Freund Christoph ging auch er mit festem, sicherem Schritt.
Bevor er, ohne zu zögern, die Schwelle überschritt, rief er mit lauter Stimme, so dass es durch das große Gefängnis hallte: „Es lebe die Freiheit!“ 
Amen.

Am 22. Februar 1943 wurden hingerichtet:

Sophie Scholl mit 21 Jahren.

Hans Scholl mit 24 Jahren.

Christoph Probst mit 23 Jahren.

Alexander Schmorell wurde am 13. Juli 1943 im Alter von 25 Jahren hingerichtet.

Professor Kurt Huber wurde am gleichen Tag im Alter von 49 Jahren hingerichtet.

Willi Graf wurde am 12. Oktober 1943 im Alter von 25 Jahren hingerichtet.

Hans Konrad Leipelt wurde am 29. Januar 1945 im Alter von 23 Jahren hingerichtet.

Lied: FreiTöne 132 Ich steh dazu

Ich glaube an Gott, den Herrn der Welt, der mich durch seine Hand erhält.
Er schenkt mir Leben und Verstand und ist mir täglich zugewandt.
Er gibt zum Leben, was mir nützt.
Er ist es, der mich schirmt und schützt.
Er liebt mich, auch wenn ich versag, drum dank' ich ihm an jedem Tag.

Ich steh' dazu, das glaube ich
Ich steh' dazu, weil Christus mich im Leben und im Tod erhält.
Das ist mein Trost in dieser Welt.
Ich steh' dazu.
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